Es gibt diese Momente im Leben, in denen wir innerlich an einer T-Kreuzung stehen: Links liegt der vertraute Weg – sicher, bekannt, berechenbar. Rechts der unbekannte – neu, aufregend, ungewiss. Der Job, den Sie seit Jahren kennen, oder doch lieber die neue Position, die Sie reizt, aber Ihnen auch Angst macht. Oder die Beziehung, die längst ihre besten Jahre hinter sich hat, oder die Vorstellung, allein zu sein – und nicht zu wissen, was dann kommt und ob dort eine erfüllende Partnerschaft wartet.
Entscheidungen überfordern uns nicht, weil wir nicht wissen, was wir wollen. Wir wissen, was wir wollen. Wir wollen das Beste für uns und am liebsten alle Vorteile jeder Variante gleichzeitig. Das bessere Gehalt des neuen Jobs mit den lieben Kolleg:innen des alten Jobs. Entscheidungen überfordern uns, weil wir befürchten, es später zu bereuen. Es ist nicht nur die Konsequenz, die wir fürchten – sondern vor allem der Verlust von Kontrolle.
Die Psychologie der Entscheidung
Wenn Sie eine Entscheidung treffen, schließen Sie immer auch Alternativen aus. Dieser Verlust – auch Opportunity Cost genannt – kann emotional schwer wiegen. Denn mit jeder Entscheidung verabschieden Sie sich auch von einem Was-wäre-wenn. Wie wäre der bekannte Job weitergehen, kommt doch die lang ersehnte Beförderung oder Gehaltserhöhung? Würde die Partnerschaft doch noch besser werden? Und genau das öffnet die Tür für Zweifel.
Unser Gehirn ist nicht für Multitasking und Daueroptionen gebaut. Entscheidungen erfordern Fokus – doch der Alltag ist ein Meer aus Möglichkeiten, Meinungen und Szenarien. Kein Wunder also, dass viele Menschen so lange wie möglich in der scheinbaren Sicherheit des „Nicht-Entscheidens“ verharren. Doch auch das ist eine Entscheidung – nur ohne aktiven Einfluss. Und daher ist das Nicht-Entscheiden auch die schlechteste aller Entscheidungen.
Warum Entscheidungen überfordern
Besonders überfordern uns Entscheidungen dann, wenn …
… wir keine klare Vision haben.
… wir die Verantwortung scheuen.
… wir glauben, es müsse die perfekte Entscheidung sein.
… wir Angst haben, zu versagen oder jemanden zu enttäuschen.
… wir den inneren Kompass verloren haben und im Außen nach Antworten suchen.
Als Coach, Unternehmerin und NLP-Lehrtrainerin mit 15 Jahren Erfahrung kenne ich diese Muster – bei Klient:innen und offengestanden auch aus eigener Erfahrung als alleinerziehende Mutter. Viele Führungskräfte und Unternehmer:innen bleiben handlungsfähig, funktionieren – aber innerlich zermürbt sie die offene Frage, die sie nicht klären. Sie bleiben vor der T-Kreuzung stehen.
Nur wer sich trennt, kann sich neu verbinden. Nur wer loslässt, hat die Hände frei für das Neue.
Elisabeth Kollmann
T-Kreuzung: Der bekannte Weg vs. das Ungewisse
An der inneren T-Kreuzung greifen wir instinktiv oft zum bekannten Weg. Nicht unbedingt, weil er der bessere ist – sondern weil unser Gehirn das Bekannte dem Ungewissen vorzieht. Das ist ein evolutionäres Schutzprogramm: Lieber mittelmäßige Sicherheit als das Risiko des Neuen.
Und so gehen wir im Geiste das Worst-Case-Szenario durch und wenn sich diese Variante als doch nicht so bedrohlich herausstellt, kann man erwägen den unbekannten Weg zu gehen.
Doch was wäre, wenn Sie sich nicht fragen: Was ist das Schlimmste, das passieren kann? – sondern: Was ist das Beste, das passieren kann?
Diese Umkehr der Perspektive ändert alles. Sie lenkt Ihre Aufmerksamkeit weg von der Angst – hin zur Möglichkeit. Und genau dort beginnt Entwicklung.
NLP-Perspektive: Zeitlinie & Wertekompass
Im NLP nutzen wir unter anderem sogenannte Timeline-Techniken. Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden sich für Weg A. Wie sieht Ihr Leben in fünf Jahren aus? Und wie bei Weg B? Welche Variante bringt Ihnen mehr innere Ruhe, Aufbruchsstimmung, vielleicht sogar Vorfreude?
Eine zweite wichtige Perspektive: Welche Motivation steckt hinter Ihrer Entscheidung?
Jede Entscheidung ist eine Werteentscheidung. Fragen Sie sich: Was ist mir gerade wichtiger – Sicherheit oder Freiheit? Wachstum oder Stabilität? Nähe oder Autonomie?
Wenn Sie wissen, welcher Ihrer Werte aktuell im Vordergrund steht, entscheiden Sie aus sich heraus – nicht gegen etwas, sondern für etwas.
Zwei Beispiele:
- Sie bleiben im bekannten Job, weil Sie Verantwortung tragen. Der zugrundeliegende Wert könnte „Stabilität“ oder „Verlässlichkeit“ sein.
- Sie nehmen die neue Position trotz Unsicherheit an. Dahinter steht möglicherweise der Wert „Entwicklung“ oder „Selbstverwirklichung“.
Beide Entscheidungen sind legitim. Entscheidend ist, dass Sie sich Ihrer Motivation bewusst sind – denn dann trägt Ihre Entscheidung, auch wenn sie mutig ist.
Der Ursprung des Wortes Entscheidung
Das Wort „Entscheidung“ stammt vom althochdeutschen entsceidan – „auseinanderteilen“. Es bedeutet: etwas abschneiden, um einen klaren Weg zu schaffen. Kein Wunder, dass uns Entscheidungen manchmal innerlich zerreißen.
Doch: Nur wer sich trennt, kann sich neu verbinden. Nur wer loslässt, hat die Hände frei für das Neue.
Drei Fragen, die Sie weiterbringen:
- Was ist das Beste, das passieren kann – in Variante A und B?
- Welche Entscheidung entspricht meinem wichtigsten Wert?
- Welche Version von mir möchte ich in fünf Jahren sein – und welche Entscheidung bringt mich dorthin?
Was Sie tun können, wenn Sie in der Entscheidungsstarre feststecken:
- Gedanken raus aus dem Kopf: Schreiben Sie Ihre Überlegungen, Ängste und Hoffnungen nieder. Journaling bringt Klarheit.
- Sprechen Sie mit einem neutralen Sparringspartner: Nicht mit jemandem, der eine Agenda hat – sondern mit jemandem, der Sie auf Augenhöhe begleitet.
- Hören Sie auf Ihren Körper: Denken Sie an Entscheidung A. Was spüren Sie? Und dann Entscheidung B? Unser Körper hat oft ein klares Gefühl, bevor der Kopf eine Antwort findet.
- Setzen Sie sich eine Deadline: Entscheidungen, die zu lange offen bleiben, rauben Energie. Legen Sie ein Datum fest – und erlauben Sie sich: Auch eine Entscheidung ist nicht für die Ewigkeit. Sie dürfen nachjustieren.
- Und gleichzeitig: man kann Entscheidungen nicht vor der Zeit treffen. Manche Entscheidungen müssen reifen.
Fazit
Entscheidungen überfordern nicht, weil Sie zu wenig wissen – sondern weil Sie viel fühlen. Und das ist okay.
Der Weg zu Klarheit beginnt nicht mit mehr Informationen – sondern mit mehr Ehrlichkeit. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, den eigenen Werten gegenüber – und dem Leben, das Sie wirklich führen wollen.
Denn am Ende geht es nicht darum, richtig zu entscheiden – sondern darum, bewusst zu entscheiden. Den eingeschlagenen Weg mit Ihrem ganzen Ja zu gehen und auf sich auf die positiven Ergebnisse der Entscheidung zu fokussieren. Schließlich könnte es ja auch ganz einfach gut werden. Das wissen Sie allerdings nur, wenn sie es ausprobieren.